Warum der neue Unterrichtsgegenstand „Technisches und textiles Werken“ in der NMS nur ein Provisorium sein kann.

Versuchsfeld NMS

Beitrag von Mag. Susanne Weiß und Erwin Neubacher (beide BÖKWE)

Seit dem Schuljahr 2012/13 müssen laut Schulorganisationsgesetz‑Novelle vom 24. 4. 2912 und der Lehrplan‑Verordnung vom 30. 5. 2012 in den Neuen Mittelschulen (NMS) die bisher alternativen Wahlpflichtfächer Technisches Werken“ und „Textiles Gestalten“ als gemeinsames Fach „Technisches und textiles Werken“ für alle SchülerInnen unterrichtet werden.

Diese Entscheidung bedeutet die wahrscheinlich tiefgreifendste Veränderung für die beiden Fächer seit deren Bestehen. Dieser überraschende, allein mit Genderargumenten begründete Schritt wurde vollkommen unüberlegt und ohne fachliche Perspektive gesetzt und hat die gesamte Werkerinnenszene in Österreich in Aufruhr versetzt. Eine Diskussion unter Einbeziehung von FachkollegInnen wurde im Vorfeld nicht geführt. Symptomatisch für die unüberlegte Maßnahme ist der „neue“ Lehrplan, in dem lediglich die beiden Fachlehrpläne (TEW, TEG) ohne Veränderungen zusammengelegt wurden.

Der Unterricht wird derzeit in den beiden Fächern meist getrennt geführt. Es wird semesterweise gewechselt (nach dem Modell der Wiener Mittelschule), d.h. ein Teil einer Klasse wird im 1. Semester in TEW, der andere Teil in TEG unterrichtet ‑ im 2. Semester wechseln die Gruppen die Fächer.

Der BÖKWE hat bei Bekanntwerden der geplanten Zusammenlegung und der nicht nachvollziehbaren Begründung versucht, eine Zusammenlegung unter den geplanten Rahmenbedingungen im Austausch mit der österreichischen Kollegenschaft und außerschulischen Gruppierungen zu verhindern (siehe Fachblatt Nr. 1/2012).

Rückblick

Im September 2012 hat das „Thematische Netzwerk Technisches Werken- IMST“ im Rahmen der IMST‑Herbsttagung am Fachdidaktiktag in Klagenfurt eine erste Diskussion unter FachkollegInnen beider Fächer und Vertreterinnen des Ministeriums ermöglicht, in der die breite Ablehnung aus der Kollegenschaft deutlich wurde.

Am 3. und 4. Dezember wurde dann in Wien vom Ministerium eine Arbeitstagung ausgerichtet, die vor allem die Ausbildung zukünftiger LehrerInnen für das neue Unterrichtsfach an den Pädagogischen Hochschulen zum Thema hatte. Wie in Zukunft mit den Fachstudien verfahren werden sollte wurde ebenso behandelt wie die ministerielle Forderung zur Zusammenlegung der Studienfächer.

Einführend wurden auch Unterrichtsbeispiele aus dem gemeinsamen Unterricht vorgestellt. Dabei wurde die grundlegende Tendenz zur Ausrichtung des neuen Fachs deutlich, welche die inhaltlichen Überschneidungen der beiden Fächer vor allem im Fachbereich „Design“ forciert. Der beinahe vollständige Verlust von technischen und architektonischen Inhalten war explizit und wurde von KollegInnen massiv abgelehnt. (Die Beispiele in der ministeriellen Broschüre „Wir Werken!“ weisen übrigens ebenso fast ausschließlich Designbeispiele auf.)

Um nun einen konstruktiven inhaltlichen Prozess einzuleiten, wurde von ministerieller Seite die Gründung einer „Bundes – Arbeitsgemeinschaft Werken“ angeboten, die den Diskurs über die Weiterentwicklung der Fachidentität(en) beginnen und vorantreiben soll. Für den 31. 1. 2013 wurde eine weitere Arbeitstagung vereinbart, die eine ARGE‑Gründung vorbereiten und den Austausch unter den PH‑VertreterInnen zum Stand der Studienplanentwicklungen bieten sollte.

Reaktion des BÖKWE

Als Reaktion auf diese Arbeitstagung, die in Salzburg stattfand, wurde von Seiten des BÖKWE folgendes Schreiben an die verantwortlichen PH‑RektorInnen verfasst:

 

Salzburg/Linz 14.12. 2012

Sehr geehrte Rektorinnen und Rektoren!

Die Verordnung zur NMS hat auch die Umstellung der Studienpläne an den Pädagogischen Hochschulen zur Folge.

In den Unterrichtsfächern Technisches Werken (TEW) und Textiles Gestalten (TEG) ist es zu einer Zusammenführung gekommen, die bundesweit in unterschiedlichen Gremien kontrovers diskutiert wurde und wird (Fachgremien, regionale ARGEs, IMST‑Fachdidaktiktag, …..)

In der vom bm:ukk einberufenen Ar­beitssitzung am 3. / 4. 12. 2012 in Wien wurde der Wille von FachkollegInnen der PHs (TEW TEG), Ministerium (ver­treten durch Mag. Pegac, Dr Bachmann, Dr Koller) und Dr Schnider gemeinsam an einer neuen, innovativen Fachidenti­tät und Struktur zur Ausbildung zu arbei­ten, als äußerst produktiv und zukunfts­weisend festgehalten.

Um ein qualitätsvolles und durch­dachtes Curriculum mit Tragwei­te entwickeln zu können, wurde vereinbart, eine österreichweite Expertlnnengruppe, die sich aus FachkollegInnen des TEW und des TEG aus allen Bildungs‑ und Ausbil­dungsstufen zusammensetzen soll, einzuberufen und vor allem inhalt­liche Visionen und Abstimmungen für Stundenpläne und Curricula zu überlegen.

 Dazu wurde von ministerieller Seite die Unterstützung zur Gründung einer „Österreichischen Ar­beitsgemeinschaft Werken“ als Voraus­setzung für diesen Neubildungsprozess zugesagt.

Da die Zeit drängt, wird am 31.1. 2013  bereits die erste ministeriell unterstützte Sitzung dazu in Salzburg stattfinden.

Um einerseits dem Neubildungspro­zess Raum zu geben und andererseits die für den April 2013 zu erwartenden Richtlinien zur „Pädagoglnnenbildung Neu“ abzuwarten, wurde von den anwe­senden Vertretern des bm:ukk (vor allem Dr. Schnider) zugesagt, den Zeitdruck aus dem Prozess zur Studienplanerstel­lung an den PHs zu nehmen.

Vor dem Hintergrund dieser mas­siven inhaltlichen und strukturellen Neuentwicklungen, die für beide Fach­richtungen anstehen und eine histo­rische Chance eröffnen, empfehlen die Fachbeauftragten des BÖKWE und die TEW‑Delegierten der ÖGFD für die ak­tuelle Umstellung der Curricula an den PHs aus fachlicher Sicht folgende Vorgehensweise:

 die bisher getrennt geführten Studienfächer TEW und TEG als solche beizubehalten, weil die (auch ministeriell befürworteten) Kombinations­möglichkeiten in den Studienrichtungen (z. B. TEW mit PH, M, G WK, BIU… ..oder TEG mit BE, D, …) gewährleistet bleiben sol­len.

….weil die Vermittlung der Kernkom­petenzen in den Fachbereichen Technisches Werken und Textiles Gestalten vor allem in den charakte­ristischen prozessbezogenen Fertig­keiten liegen (handlungsorientierte, problemorientierte, prozessorien­tierte Unterrichtsprinzipien – alles zentrale Bildungsinhalte nach bmukk!). Aus fachlicher Sicht beeinträchtigt bereits die aktuelle ECTS‑Struktur für die Fachausbildung den Erwerb dieser Kompetenzen stark. (Die angedachte Erweiterung des Bachelorstudiums auf 8 Semester wird diese noch unterreprä­sentierten ‑ aber zentralen ‑ Kompe­tenzbereiche in der Ausbildung hoffent­lich nachbessern.) Der Erwerb dieser Kernkompetenzen erfordert im Unterschied zu rein kognitiv ausgerichteten Kompetenzen bei wei­tem mehr Zeit (Kompetenzen vor allem aus den Lembereichen von “Fähigkeiten und Fertigkeiten“ siehe dazu LP Allge­meines Bildungsziel Punkt 4.). Die Vorbereitung der Studierenden auf ihre Unterrichtstätigkeit an Schwer­punktschulen mit bis zu 12 Wst Werk­unterricht und auf die Vermittlung von Werkkompetenzen an Schülerinnen für weiterführende Schultypen wie HTLs, Sekundarstufe 2 (Werken mit Matura), HBLAs u.a. erfordert eine entsprechend qualifizierte Ausbildung an den PHs. Die Pädagogischen Hoch­schulen tragen daher ein hohes Maß an Verantwortung für die nächsten Werk­lehrerInnengenerationen, die die Ideen der NMS für die nächsten Jahre/Jahrzehnte umsetzen sollen.

 – die Entwicklung der Fachcurri­cula zum derzeitigen Zeitpunkt von den FachkollegInnen noch nicht einzufordern, weil langfristige Weichen­stellungen mit bildungs‑ und gesellschaftspolitischem Anspruch erst in der sich Anfang nächsten Jahres formie­renden Bundes ‑ ARGE entwickelt werden können. An Kompetenzmodellen (für Schüle­rInnen wie für PädagogInnen von der Primarstufe bis zur Sekunderstufe 2) wird bereits in Arbeitsgruppen gear­beitet. Der derzeitig gültige Lehrplan der NMS für das Fach „Technisches und textiles Werken“ ist die (fast) unveränderte Zusammenlegung bei­der ursprünglichen Lehrpläne (TEG, TEW) und kann demnach von den Lehrenden in der zur Verfügung ste­henden halben Zeit unmöglich erfüllt werden.

 – die Umstellung der Studienpläne in den besagten Fachrichtungen lediglich auf die Kompetenzan­forderungen in Bezug auf die NMS durchzuführen.


Mit freundlichen Grüßen

Mag,. Susanne Weiß

Fachbeauftragte für TEG des „Berufs­verbands Österreichischer Kunst‑ und Werkerzieherinnen“ (BÖKWE)

Mag. Erwin Neubacher

Fachbeauftragter für TEW des „Be­rufsverbands Österreichischer Kunst­und Werkerzieherlnnen“ (BÖKWE)

Delegierter für Technisches Werken in der „Österreichischen Fachdidak­tischen Gesellschaft“ (ÖFDG)

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